Eine Entdeckung der lebendigen Art

Markus liebte Schildkröten. Er erinnert sich noch genau an seine erste Begegnung mit den Reptilien. Er war gerade in den zweiten Kindergarten gekommen, da ging die Gruppe auch schon auf die Reise in den Zoo Zürich. Er stand vor dem Gehege und schaute der Galapagos-Schildkröte in die Augen. Es war, als könnte er darin die ganze Welt entdecken. Er wollte unbedingt auch Schildkröten haben. Natürlich kamen für ihn keine Galapagos-Schildkröten in Frage, aber im Garten halfen ihm seine Eltern dann, nach reichlicher Abklärung eine passende Anlage für Griechische Landschildkröten anzulegen. Die Faszination blieb. Auch als er seine Ausbildung zum Koch begann. Darum fiel es ihm umso schwerer einen Grossteil der Schildkrötenpflege während der Woche an seine Mutter zu übertragen. Weil er ihr die zusätzliche Arbeit mit dem Ausbrüten der Schildkröteneier ersparen wollte, grub er die gelegten Eier aus. Doch er behielt sie als zusätzliches Anschauungsmaterial wenn ihn Bekannte nach den Griechischen Schildkröten fragen sollten. Sorgfältig brachte Markus die Eier in seinem Setzkasten unter und zeigte sie gerne her. Doch eines Morgens kam die Mutter zum Lüften in das Zimmer ihres Sohnes. Sie wandte sich gerade wieder zum Gehen als ihr Blick auf den Nachttisch fiel. Da stand ein winziges Schildkrötli. «Seit wann hat er denn das?», überlegte sie sich. Als das kleine Wesen sich bewegte, traute sie ihren Augen nicht. Doch schon bald hatte sie des Rätsels Lösung. Der Schlüpfling musste aus dem Setzkasten gefallen sein. Als sie nachschaute, entdeckte sie, dass bereits ein zweites Tierchen sein Bein durch die Eierschale drängte. Es war ein kleines Wunder, dass die Schildkröten unter diesen Umständen geboren waren. Ganz vorsichtig befreite die Mutter die Eier aus ihrem kuriosen Inkubator und platzierte sie fachgerecht unter einer Lampe. Dem Charme der Schildkrötenbabies war die Mutter ebenso schnell erlegen – umso mehr als sie die Begeisterung ihres Sohnes bei seiner Rückkehr am Wochenende sah. In den Augen dieser Tiere lag einfach die ganze Welt.