Ich darf mich vorstellen…

Mein Name ist Karl der Kühne. So hat es die Pflegefamilie, die mich beherbergt, sorgfältig auf meinem Datenblatt eingetragen. Die wissenschaftliche Bezeichnung für mich und meine Artgenossen lautet Testudo hermanni hermanni. Bevor ich hier sesshaft geworden bin. Lebte ich als Vagabund mal hier mal da. Mein Vorbesitzer hatte mich vor vielen Jahren bei einem Waldbrand in Italien gerettet und in die Schweiz mitgenommen. Doch meine Neugier auf die Welt war einfach übermächtig. Auf einer meiner Entdeckungstouren erlitt ich einen schweren Unfall mit einem landwirtschaftlichen Mähwerk. Weil der Bauer sich vor dem Anblick ekelte, wurde ich jeweils wegbefördert, wenn ich wieder im gemähten Gras auftauchte. Eines Tages erzählte die Frau des Bauern erzählte meinen heutigen Besitzern von mir und diese schritten beherzt ein. Sie nahmen sich meiner an, versorgten meinen beschädigten Panzer, meine Wunden und mein lahmes Bein. Ein Bein, das nicht mehr voll beweglich ist, wird auf einer Flucht zum Handicap kann ich euch sagen. Das Resultat nach einem Raubtierübergriff? Mein Bein musste amputiert werden. Seither trage ich, Karl der Kühne, den liebevollen Spitznamen Kari Dreibein. Die Amputation war nicht die letzte meiner Hürden. Doch ich habe alles überlebt und erfreue mich heute bester Gesundheit. Davon konnte sich zufällig auch mein ehemaliger Besitzer überzeugen, als er mich während eines Besuchs meiner heutigen Herbergsfamilie sofort wiedererkannte. Aber nicht nur ich wurde gepflegt, auch mein Zuhause wurde in den ersten Jahren laufend renoviert und entwickelte sich äusserst komfortabel. Jeden Herbst verabschieden sich meine Besitzer liebevoll von mir. Sie fürchten wohl, dass ich eines Frühlings einfach nicht mehr erwache. Und ich vermute, das wäre vor allem für die Frau, die mich als ihre erste Schildkröte ganz besonders ins Herz geschlossen hat, ein schwerer Moment. Doch in der schönen Anlage mit dem guten Schutzhaus, habe ich es noch immer geschafft, mich mit meinen drei Beinen ein- und auszugraben. Das Zusammenleben mit mir, hat meine Herbergsfamilie wohl rundum begeistert. Denn mittlerweile habe ich von vielen weiteren Artgenossen Gesellschaft bekommen. Unser zusammengewürfelter Haufen versteht sich recht gut und wir teilen alles miteinander: Komfortables Schutzhaus, Futter und eine Anlage, die fast so aussieht wie mein ehemaliges Zuhause in Italien. Meine erste Bekanntschaft war Klothilde, sie ist äusserst attraktiv und darum begehrt bei uns Männchen. Doch dank Weibchen in der Überzahl bleibt keiner lang alleine. Wer weiss, vielleicht erzählt euch Klothilde ja dereinst ihre Geschichte…