Fürs Leben gelernt

«Mama ich will eine Schildkröte.» Verdutzt sah Lotta Panzerburg ihren jüngsten Sohn an. «Eine Schildkröte? Wie kommst Du denn darauf?» Lukas erklärte: «Wir sollen nach den Sommerferien einen Vortrag über Haustiere halten – aber wir haben keins. Und über einen Hund will ich nicht schreiben.» «Aber darum holt man sich doch nicht einfach ein Reptil ins Haus.» Lukas verzog das Gesicht. «Und worüber soll ich schreiben?» Seine Mutter antwortete: «Lass mich eine Nacht darüber schlafen, morgen reden wir weiter.» Als kurz nach 22 Uhr alle Kinder in ihren Betten lagen setzte sich Lotta Panzerburg an ihren Computer und recherchierte zum Thema Schildkröten. Bilder verstümmelter Tiere und von Souvenirs aus deren Panzer gefertigt, erschreckten die junge Mutter. Irgendwann stiess sie auf eine regionale Informationsseite. Als Experte stand dort der Name eines Tierarztes aus der Nachbargemeinde. Sie notierte sich die Telefonnummer, um ihn am kommenden Tag anzurufen. «Morgens ist Lukas sowieso noch zu müde für grosse Diskussionen», dachte Lotta Panzerburg bevor sie selbst schlafen ging. Und sie sollte Recht behalten. So konnte sie ihren Sohn beim Mittagessen überraschen. «Heute Nachmittag besuchen wir Dr. Tierwohl in der Schildkröten-Auffangstation.» «Was ist denn eine Auffang-Station?» «Das wird er dir heute Nachmittag sicher gerne erklären.» Doch vor Ort angekommen schwieg Lukas erst einmal. Mehr als 20 Schildkröten waren im Gartengehege Zuhause. «Faszinierend nicht wahr?» sprach Dr. Tierwohl den Buben an. Lukas nickte. «Was gefällt dir am besten?» «Der Panzer in dem sie sich verstecken können. Was ist eine Auffangstation?» «Das ist ein Ort, an den kranke Tiere und solche ohne Zuhause hingebracht werden.» Und Dr. Tierwohl begann Lukas zu erklären, dass beispielsweise die griechische Landschildkröte schon mal 80 Jahre alt werden könne. Dass ein Freigehege von Vorteil sei und wie es dieses zu gestalten gelte. «Das ist ja viel schwieriger als einen Hund zu füttern», entfuhr es dem Buben schliesslich. «Da ist was dran», stimmte Dr. Tierwohl zu. «Schildkröten sind sensible Wildtiere und nicht leicht zu halten. Was sie sich in Freiheit selber suchen, muss der Mensch erst einmal verstehen lernen, bevor er sie richtig versorgen kann.» «Das heisst, ich kriege keine Schildkröte», Lukas setzte sich auf einen Stein am Rand des Geheges. «Das kann ich schliesslich gar nicht alles wissen. Aber was mache ich dann mit meinem Vortrag?» Der Tierarzt schaute Frau Panzerburg fragend an. «Die Kinder sollen in der Schule über ihre Haustiere sprechen.» «Ach so.» Dr. Tierwohl setzte sich neben Lukas und stupste ihn von der Seite an. «Wir können es doch so machen dass du mir in den Sommerferien in der Auffangstation hilfst. Ich erzähle dir alles, was du über die Tiere wissen musst. Und für den Vortrag steuere ich spannendes Anschauungsmaterial zur Verfügung. Abgemacht?» Lukas stand auf und reichte dem Tierarzt die Hand. «Abgemacht.» Nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu. «Und ich will auch keine Schildkröte mehr für Zuhause. Ich kann doch nicht bis ich 80 bin bei Mama und Papa wohnen weil sonst die Schildkröte krank wird.»